Der Interstellare Raum. Vom Vakuum zwischen himmlischem Anspruch und irdischer Wirklichkeit.

Photo von “Pezibaer”. Pixabay.

Ab und an muss ich lesen, weil mir die Worte ausgehen.
Akute Buchstaben-MangeIerscheinung. Ich hau ja hier solche Mengen davon raus, da muss ich hin und wieder an irgendeine Buchstabentankstelle und an einer Textsäule die Bestände auffüllen.
Heute war ich mal, eher zufällig, auf der Grünen-Homepage Hamburg-Nord.
Für die von Auswärts Mitlesenden muss ich noch kurz die politische Lage vor Ort erläutern:

Mit Hilfe der SPD, die hier herbe Verluste hatte hinnehmen müssen, ist der Hamburger Hohe Norden jetzt einigermaßen fest in Grüner Hand.
(In einem anderen Bezirk ist statt der SPD die CDU bei der Mehrheitsbeschaffung behilflich. Für die Grünen, dort wie hier, die Hauptsache? Das Bezirksamt.
Für SPD und CDU, hier wie dort die Hauptsache? MitMacht. Im Prinzip kann jeder mit jedem, wenn keine Prinzipien im Weg stehen. Das ist ja auch gar kein Problem, wenn man, wie Herr Kranz von den Grünen, den Kompromiss als Kern der Demokratie ansieht.
Mir mangelt es da, einmal mehr, an Verständnis. Ich meine, der Kompromiss ist genau das eben nicht. Das Wesen der Demokratie ist ein völlig anderes. Ihr Wesenskern ist die Herrschaft des Volkes und sein Mehrheitsentscheid…
Der Kompromiss ist nicht Kern der Demokratie – er ist der faule Kern der heutigen Parteienpolitik. Und er hat immer die gleichen Verlierer und Gewinner: Verlierer sind die Bürger, denen am Ende aller faulen Kompromisse der laue Schiet auf die Füße fällt. Gewinner sind Konzerne und “Familienunternehmen”, für die bei jedem Kompromiss etwas herauspringt, seien es Steuererleichterungen, Subventionen, der Abbau von Arbeitnehmerrechten oder aber, wenn gar nichts anderes geht: Gesetzeslücken.
Was den Bürgern eben noch vollmundig zu tun versprochen wurde, das verschwindet in Kompromissen, nach deren Schluss jeder mit dem Finger auf den Anderen zeigt.(“Ging nicht anders, an uns lag`s nicht”) Zuweilen kommt am Ende auch schon mal das Gegenteil von dem heraus, was bewirkt werden sollte. Da kann es durchaus passieren, dass die Mieten steigen, obwohl sie sinken sollten, oder Nettolöhne sinken, wenn sie brutto erhöht wurden…
Doch zurück in den Norden und zu meiner Feststellung, Langenhorn sei nun einigermaßen fest in grüner Hand:
Der neue Bezirksamtsleiter ist ein Grüner, der bei Amtsantritt erklärt, seine Aufgabe (also das Amt) auch als ein politisches (sic! ) zu interpretieren. (Hier nachzulesen).
Die Vorsitzende der Bezirksversammlung, die ebenfalls gerade erst ins Amt eingeführt wurde, ist eine Grüne.
Und der Vorsitzende der Mehrheitsfraktion, der “federführend” den Beschluss, in Sachen “Sperrung der Wege an der Tarpenbek” in die Regionalversammlung einbrachte, ist auch ein Grüner. Flexibel und talentiert.
Den Vorsitz hat er vom neuen Bezirksamtsleiter übernommen, also dem, der sein Amt, als ein politisches interpretiert. Das ist die Krux.
So. Nun sind sie, was die Grünen angeht, im Bilde. Auf die SPD komme ich später.
Aber wie kam ich überhaupt drauf? Egal, wird mir schon wieder…Ah, Moment, ich hab`s wieder:
Ich mußte also lesen, denn die Buchstaben gingen zur Neige, und ich denk so “Komm, Mimi, geh im Grünen spazieren und füll auf. ” Gedacht, getan, da verlaufe ich mich und lande auf der Grünen-Nord-Homepage. Und fand doch tatsächlich etwas Leckeres. Ein Buchstabe schöner als der Andere, solide, fein ordentlich in Reih und Glied, in großer Anzahl und obendrein erkennbar im Schriftgestelltwerden schon geübt. Ich denk, “Fein, die nehm ich” und fang zu lesen an. Das hier.
Da steht doch wahrhaftig in diesem niegelnagelneuen Grundsatzprogrammentwurf der Grünen, ein ganz zauberhafter Abschnitt, wo einem jeder Satz , Buchstabe für Buchstabe auf den Lippen perlt und insgesamt einen wohligen Schauer verursacht. Hier:

(…) Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Deshalb braucht sie Demokrat*innen. Demokratie steht nie still. Sie entwickelt sich immer weiter. Demokratie ist die Staatsform, die zur Selbstkorrektur in der Lage ist.
Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit, denn sie garantiert den Schutz von Menschen-, Freiheits- und Minderheitenrechten auf Grundlage eines liberalen Rechtsstaates. Auch die wehrhafte Demokratie braucht Bürger*innen, die sie aktiv verteidigen und ihr immer wieder neue Kraft geben. Das ist der beste Schutz gegen die Zerstörung von innen.
In einer Demokratie eignen sich Menschen ihre Zukunft gemeinsam an und verwandeln äußeres Geschehen in gemeinsame Entscheidungen. Demokratie ist anstrengend. Sie braucht respektvollen Streit genauso wie den Kompromiss. Demokratie braucht Freiheit, sie muss Bürger*innen- und Menschenrechte garantieren und ist sogleich an soziale Voraussetzungen und Solidarität gebunden. (…)
Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen-Beteiligung, starke und freie Medien, Kultur und Wissenschaft sowie gute Bildungseinrichtungen. Für die offene Auseinandersetzung nach klaren Regeln braucht Demokratie immer wieder Innovationen und Parteien, in denen sich Menschen zusammenfinden, um Meinungen zu bündeln und sich mit Programmen und Haltungen der öffentlichen Debatte und der Entscheidung zu stellen.
Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich Menschen einmischen und repräsentiert sehen. Demokratie braucht Zugänge und auch direkte Beteiligung, um die unterschiedlichen Perspektiven und Positionen in den demokratischen Prozess einbringen zu können.
Demokratie beruht auf nachvollziehbaren Entscheidungswegen und auf Transparenz….
(…) (Die Hervorhebungen sind von mir)

Ich war wirklich ergriffen. Das ist doch so schön, dass einem die Tränen die Wangen herunterlaufen, nicht wahr? Fast so schön, wie das Grundgesetz in seiner Erstausgabe. Da muss ich auch immer heulen, so wundervoll ist das und so ergreifend…

Und nun sitz ich hier, nachdem ich mir die Freudentränen abgewischt und die Nase geputzt hab, der Tag geht zur Neige. die Nacht bricht herein – und ich hab schon wieder eine Frage mehr, die mir keiner beantworten wird:
Was liest wohl “das Grüne Dreigestirn vom nördlichen Firmament”, wenn ihm die Worte fehlen? Außer Böckenförde?
Wenn ich so auf die letzten Monate zurückblicke, dann kann der Entwurf des neuen Grundsatzprogrammes nicht dabei gewesen sein…

Ich wünsche uns allen eine Gute Nacht und einen angenehmen Start in die Woche.
Ich werde ihn haben, ich hab nämlich frei.

5. 10. 2020 : Update am Morgen – ein Tag ohne Sorgen 😉
Ich leg Ihnen für Heute was Älteres raus und bin wieder weg.
Hier. Und hier.