Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind bedroht wie nie zuvor seit Gründung der Bundesrepublik. Ich lese und höre mit Staunen wie Politiker sich mal wieder mit Vorschlägen überbieten, wie denn die Demokratie zu sichern seie und -einmal mehr- die Bürger auffordern, sie zu verteidigen.
Was ich vermisse ist Selbstkritik. Niemand von jenen, die jetzt die Bevölkerung auffordern, die Demokratie zu verteidigen, sieht mal genau hin, was er denn selbst dazu beigetragen hat, dass wir uns jetzt in dieser bedrohlichen Situation befinden.
Es ist alles, wie immer: Empört sein, lauthals beklagen, Gesetze verschärfen, den Rechten die Themen wegnehmen. In völliger Verkennung der Tatsache, dass die Rechtsextremisten es sind, die den “Altparteien” die Themen wegnehmen.
Diese Themen, das sind all die ungelösten Probleme, die überall herumliegen und uns zu ersticken drohen, heraufbeschworen durch eine “neoliberale” Politik und von ihr entfesselte Märkte, die unausgesetzt unzählige Menschen in einer Art und Weise belasten, die für sie nicht mehr tragbar ist.
Die AfD geht mit der bloßen Benennung dieser Probleme und vollkommen haltlosen Heilsversprechungen, mit Lug und Trug, seit Jahren erfolgreich auf Stimmenfang.
Jedes hausgemachte, jedes neu geschaffene, nicht gelöste alte, jedes verschwiegene und verleugnete Problem hat dafür gesorgt, dass Rechtsextremisten in ein Parlament nach dem anderen einziehen konnten.
Nun spalten und bedrohen sie unsere Republik, gefährden in nie gekanntem Ausmaß die Demokratie unseres Landes, dessen Bürger an den sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer miserablen und unsozialen Politik zu leiden haben.
Doch auch das wird von den “Altparteien” geleugnet und die soziale Lage wird weiter verschärft, ignoriert und in unerträglicher Weise darüber hinweggeredet…
- Während “die Wirtschaft”, Konzerne wie “Familienunternehmen”, einen Höhenflug nach dem anderen feierten, steuererleichtert reicher und reicher wurden, erarbeiteten Menschen diese Gewinne hart, die sich auf ihre Löhne gleichwohl in keiner Weise ausreichend niederschlugen.
In einem dereguliertem Arbeitsmarkt entrechtet, von Gewerkschaftern vertreten, die Mitglieder und “Funktionäre” eben der Parteien sind, die sie der Entrechtung aussetzten, arbeiten Hunderttausende, Millionen, zu Niedrigstlöhnen,
in Leiharbeit, auf Vollzeitstellen, in Aushilfs-, Teilzeit- und Zweitjobs, deren Verdienst nicht ausreicht, um das Notwendigste noch zahlen zu können:
Das Dach über dem Kopf, Lebensmittel, Strom und Heizkosten, steigende Gebühren, Kosten, für den Weg zur Arbeit…
Menschen, die lang und hart arbeiteten und arbeiten, deren Rente nicht ausreicht, Chancenlose, stehen Schlange vor den “Tafeln”, dem einzigen, doch immer karger gedeckten Tisch, für die, deren quälende Lebenswirklichkeit täglich neu geleugnet wird. Und zwar von eben jenen, die seit Jahrzehnten diese Probleme schaffen und verschärfen, statt sie endlich wirksam anzugehen und zu lösen.
Bürger, die scheitern, vor immer neue Probleme gestellt ja scheitern müssen, in und an einer Demokratie, in der sie mittlerweile nichts mehr haben, als eine Stimme, die die von ihnen gewählten Volksverteter nicht mehr hören wollen.
Dieser ganze rechte Spuk, dieser Albtraum, er wird in dem Moment vorbei sein, in dem “die Politik” sich endlich wieder damit befasst, die sozialen Fragen zu lösen, statt täglich neue Probleme zu schaffen, – ob durch Tun, Dulden oder Unterlassen und mit denen die Bürger fertig werden müssen – und es nicht mehr schaffen.
Was wir brauchen sind Problemlöser, aufrechte Demokraten, die sich dem Bürger deutlich mehr verpflichtet fühlen, als ihrer Partei oder Wirtschaftsverbänden.
Da muss vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden, was wir “Demokratie” nennen. So, wie es sich entwickelt hat, war es nie gedacht, doch es wurde dazu gemacht.
Was wir brauchen, ist die Renaissance des demokratischen Gedankens.
Und diese Wiedergeburt, die muss in unserem Alltag spürbar Raum greifen können.
Jedem muss die Demokratie ein gegenwärtiges Thema, eine Herzensangelegenheit sein – auch in der Politik.
Beim Einkauf, auf der Arbeit, in der Freizeit, an jeder Ecke, auf Strassen und Plätzen. Sie muss Lebenmittel sein und wo sie es nicht ist, da müssen wir sie säen, hegen und pflegen.
Es braucht dazu auch Politiker, die sich zuallererst als Bürger verstehen und nur in zweiter Linie als Mitglieder ihrer Partei.
Abgeordnete müssen sich im Wortsinne so begreifen: Sie sind von ihren Mitbürgern abgeordnet worden, um ihre Interessen zu vertreten und auch von ihren Parteien müssen sie so begriffen werden, damit sie von den Menschen gewertschätzt werden können, weil sie sich wirksam und fühlbar für Bürger einsetzen, und nicht länger als die “Parteisoldaten” angesehen und verstanden werden – und sich auch selbst so verstehen.
Unabhängigkeit und Uneigennützigkeit müssen die Regel sein – nicht Ausnahme.
Dann (und nur dann), ist dieser ganze Nazi-Spuk für`s Erste vorbei.
Bis zum nächsten Mal, denn die Demokratie wird immer wieder angegriffen werden.
Wann immer unsere Aufmerksamkeit nachlässt, unser Wille erschlafft, Verliebtheit nicht zur Liebe wird, um der Bequemlichkeit Willen, wenn aus dem Bekenntnis zur Demokratie keine Tat erwächst – dann sind sie sofort wieder da, die Angreifer.
Die Faschisten sind sich in all den Jahrzehnten nach 1945 treu geblieben.
Und wir, die übergroße Mehrzahl, die sich Demokraten nennen,
wir haben einander allein gelassen, seien wir “Bürger”, “Politiker” oder “Verwaltung”.
Wir haben nicht aufeinander achtgegeben, auf diesem endlosen Weg der Demokratie, den zu gehen wir nach 1945 beschlossen.
Ein Beschluss, den jede neue Generation bekräftigen muss.
Wir müssen selbstkritisch feststellen, dass wir es jahrzehntelang versäumt haben, Generationen von Bürgern und Politikern, für diesen Weg zu “ertüchtigen”.
Wie wussten um all die Gefahren, aber wir nahmen das Wissen darum nicht zum Anlass, uns gegen diese Gefahr zu wappnen.
Wir sind blind dafür gewesen, dass der “Marsch durch die Instanzen” von Rechtsextremen Kräfte, von Nazis, konsequent im Stechschritt gegangen wurde – während die “68er” sich blindgrün, spezialdemokratisch und markttradikal “etablierten” und dabei vergaßen, was sie sich selbst, die Gefahr deutlich vor Augen, in den “Summers of Love” fest versprochen hatten: Nie wieder.
Nicht an ihren Reden, an ihren Taten sind Demokraten zu erkennen.
Darum müssen wir endlich praktisch werden. Alle. Jetzt.
Jeder an dem Ort, dem Platz, an den er gestellt ist.
Tu es ! Das ist französisch und heißt ins Deutsche übersetzt “Du bist”.
Tu es und Du bist.
Erfüllen wir die Demokratie also wieder mit unserem Leben,
denn erst dann sind wir wahr- und wehrhafte Demokraten.
Alles andere sind Lippenbekenntnisse.