Zeitenwende. Die alten Wege gehen. Sich begleiten, sich aufgehoben fühlen. Das Leben lieben, in jedem Augenblick. Auch allein. Auch jetzt. Gerade jetzt. Und immer.
An eine Geschichte denken, die Rose mir erzählt hat. Wie das damals war, als alle gegangen waren, ihre Eltern, und dann auch Lotte, ihre engste Freundin aus Jugendtagen, eine lebenslange Freundin und Gefährtin, die Rosemarie, am Ende des gemeinsamen Weges, gepflegt hatte, und mit der sie einst schon an der Tarpenbek spazieren ging….
Später, als Lotte nicht mehr laufen konnte, waren sie noch mit dem Rollstuhl dort…
Und wie nach Lottes Tod, vor Jahrzehnten, alles so leer war, still und stiller wurde, totenstill, und wie die Trauer sie fast zu überwältigen drohte. Wie sie sich eines Tages überwand, sich auf ein Fahrrad gesetzt und all den gemeinsamen Erlebnissen ihr erstes eigenes hinzugefügt hatte. Sie fuhr die altvertrauten Wege zum ersten Mal All-ein. Da begann sie wieder zu leben, von einem Moment auf den anderen. Sie hatte sich lebendig gefühlt und dachte in jenem Augenblick: “Ich bin doch noch jung, mein Leben wartet auf mich und ich will es leben”. Da hatte sie das Leben angenommen, so, wie es geworden war. Ganz und gar, mit allen Höhen und Tiefen. Und mit allem, was da noch käme …
Daran dachte ich, als ich zum ersten Mal ohne sie “unsere” Wege ging, ein Spaziergang, den ich gefürchtet hatte. Und wußte plötzlich, dass sie, die nicht gern von sich selbst redete, mir diese Geschichte mit Bedacht erzählt hatte. Damit ich mich an sie erinnern könne….Und an einen Satz dachte ich, der uns an jedem neuen Morgen verband:
“Ein neuer Tag! Was er uns bringen mag, was er wohl für uns bereit hält?”
Als ich nach diesem ersten “All-Ein-Gang” wieder daheim war, da war mein Blick auf die Flasche des herben Kirschliköres gefallen, der verwaist auf dem Küchenschrank stand und von dem wir an besonderen Tagen ein kleines Gläschen tranken. Wir genossen im Herbst so gern, was der Sommer uns geschenkt hatte. Der Inhalt war seit dem letzten Herbst zur Neige gegangen…Ich goß den Rest in eine Likörschale und hob dieses letzte Glas in Erinnerung an eine großartige Frau, einen sehr besonderen Menschen, auf ein Groß-Od, auf meine liebste Rose. Dann trank ich ihn auf unser Leben. Und nahm Abschied.
Wir haben das große Glück geteilt, einander Freundin sein zu dürfen. Das ist mehr als Trost … Das bleibt. Immer.