Haltungsschäden. Von Eiertänzen und anderem Mistvergnügen.

Auweia
Auweia, Auweia, – der Hahn hat keine Eier.

Ich schrieb gestern Abend davon, daß mein Tag so doof war, ich ihn aber nicht aufgeben wolle und auf Lichtblicke auch nach Einbruch der Nacht hoffe. Ich bin einerseits eine große Optimistin, andrerseits aber auch äußerst realistisch. Das mag Ihnen seltsam und widersprüchlich vorkommen, dazwischen liegt aber die Hoffnung und die hilft ungemein. Diese Geisteshaltung bringt mein Beruf mit sich. Wer sich nach Phantasien begibt, ein abenteuerliches Land, in dem man sich auf das Übelste verlaufen kann, der braucht eine sehr starke Rückbindung in die reale Welt. Besser als ein Ariadne-Faden ist da ein dicker Tampen. In beiden Welten, der phantastischen wie der realen, braucht man aber auch, und das ist unabdingbar, eine klare, eine eindeutige Haltung. Eine Meinung zu “haben” ist nicht sonderlich schwer, man muss sich heutzutage nicht einmal selbst eine bilden. Meinungen sind so zahlreich im Angebot, wie Plastik im Meer – da kann sich jeder auf dem medialen Wühltisch mit Billigangeboten eindecken..

Meine gestrigen Hoffnungen wurden (bis auf die eine, die ich für heute noch habe) dann auch erfüllt. Es hat sich ein guter Mensch gemeldet, der Kleidung entbehren kann und es fand sich auch noch etwas Interessantes für mich im Fernsehen. Kein Hannibal, kein Arminius, kein Tut ench Amun – geboten wurde mir die Nofretete, die ich dankbar annahm. Die hatte ich erst 50 mal gesehen. Vorher hatte ich allerdings herumgezappt (eine üble Angewohnheit, um die ich dringend mal kümmern muss) und landete, wie könnt es auch anders sein, bei Herrn Lanz, dem stets Sprungbereiten. Und da saßen dann der unbefliegte Herr Lauterbach und Herr Linnemann, der Wirtschaftsversprecher. In Ihrer Mitte eine Dame, die hin und wieder verzweifelt schien, was ich verstehen kann, auch ich wäre in dieser Runde am Rande der Verzweiflung gewesen, allerdings mit einer latenten Neigung zur Ruppigkeit, die mich gerade in illustren Herrenrunden oft zu überfrauen droht. Sei`s drum, sie schadet ihnen ja nicht, es perlt alles ab. Jedenfalls ging es (mal wieder) um die fehlenden Masken. Auch um Bevorratung. Auch darum (mal wieder), ob die Masken vielleicht deshalb nichts taugen sollen, weil sie nichts taugen dürfen, denn wenn alle wüßten, wie hilfreich sie sind, dann wolle ja Jeder eine haben. Und das geht ja nicht. Gibts ja nicht. Auf diese Frage hin wurden dann Eiertänze aufgeführt, wie sie schöner nicht hätten sein können. Ein Aal wand sich eloquent erst neben, dann um den anderen, es war ein bezauberndes Schauspiel männlichen UnMutes und Windekraft, ein munterer Reigen verlorener Eier. Als Frau ist man da immer wieder aufs Neue überrascht. Man glaubt ja nicht, wie sehr Männer doch in der Lage sind, sich um eine einfache Ja/Neinfrage herumzuwinden, als seien sie von Geburt an Schlangenmenschen. Dagegen ist jedes weibliche Kaffeekränzchen der direkte Zugang zu einfachen Wahrheiten. Ich kann das gar nicht verstehen. Da saßen ja jetzt keine Männer, die irgendetwas zu fürchten hätten, wenn Sie Haltung bewiesen. Die Altersversorgung ist üppig gesichert, die Nebeneinkünfte sowieso, warum also zeigen sie kein Rückgrat ? Warum kann Mann nicht einfach mal sagen: “Ja. Es wäre gut, wenn wir genug Masken für alle hätten, aber wir haben es total vermasselt. Wir haben an schwarze Nullen gedacht, auch den Bericht vom RKI hat keiner gelesen. Hat uns einfach nicht interessiert, so ein Kokkolores, und wir sind dummerweise davon ausgegangen, daß die, an die wir euer Gemeingut, eure Daseinsvorsorge für kleines Geld verscherbelt haben, genug im Keller liegen hätten. Wir haben es völlig versemmelt, Asche auf unsere Häupter. Und wir sind all jenen unendlich dankbar, die jetzt für uns die Kastanien aus dem Feuer holen und Behelfsmasken nähen. Sie mögen nicht so gut sein, wie OP-Masken, aber auch sie helfen. Sind sie doch besser als das Nichts, das wir im Angebot haben.”
Warum bringen die das nicht fertig, Fehler einzugestehen? Stattdessen “steht es ihnen nicht zu” etwas zu sagen, und verbinden diese Phrasendrescherei obendrein mit dem bedeutungsschwangeren Blick eines waidwund geschossenen Rehleins. Ich verstehs einfach nicht. Ich erwarte keine männliche Größe, dafür bin ich zu lebenserfahren, aber menschliche, die sollte doch drin sein. Aber nein, Mann macht sich stattdessen daran, die Behelfsmasken als “selbstgebastelt” abzutun, ihre “Minderwertigkeit” in den Vordergrund zu schieben, um die eigenen schwersten Mängel nicht eingestehen zu müssen. Und statt sich für die Arbeit derer zu bedanken, die unermüdlich an den Nähmaschinen sitzen, die Feuerwehren und häusliche Pfleger, ambulant und in Altenheimen (undundund) … wenigstens mit einem Minimum an Schutz versehen, (ein Minimum, das man selbst zu stellen, sich als völlig unfähig erwies), statt also mal ganz flott sehr sehr kleine Brötchen zu backen, tritt man denen in die Beine, die ihre Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft stellen, wo andere versagten. Was dann darin gipfelte, daß man darauf hinwies, dass es schon besser wäre, wenn die Masken aus Staubsaugerbeuteln genäht würden, statt aus Baumwolle. Steht nämlich in einer Studie. Man fasst es nicht: Die kriegen keinen Knopp anne Buxe genäht, können Knöppe nicht mal bestellen, aber mit Studien kennen sich die Herren ja aus…Und geizen nicht mit Rat- und Radschlägen.

Ich habe mich ausnahmsweise mal nicht aufgeregt darüber, sowas erlebt frau ja nahezu täglich, da überrascht das nicht mehr. Und ich hab mich auch nicht mehr bemüht, es zu verstehen. Manche Dinge versteht man wirklich besser nicht. Täte man es, man wäre vermutlich genau so krank…