Einleben in die Zeit

Museum der Arbeit.

So langsam groove ich mich hinein, in meinen neuen Alltag, der sich gar nicht so sehr von dem “alten” Alltag unterscheidet, obwohl er doch ganz anders ist. Ich sitze ja schon seit einem Vierteljahrhundert in (irgend) einer Dachkammer und schreibe. Stundenlang, Tag ein, Tag aus, wenn man mal von der Zeit absieht, in der ich an einer üblen Schreibblockade litt. Aber jetzt – das ist doch alles ganz ganz anders. Für die Allermeisten von uns ist dieses Heute vor einem ungewissen Morgen, schwer auszuhalten, es sind ja existenzielle Fragen, die sich nun jedem stellen und auf die wir noch keine Antworten finden…

Es ist furchtbar, nicht zu wissen, wie es weitergeht, ob man seine Arbeit behalten wird und wie lange noch, wie Verdienstausfälle verkraftet werden, ob man die Miete, die Hypotheken noch bezahlen können wird. Ob überhaupt und wenn, wer einem helfen wird, wenn man emotional und finanziell am Abgrund steht…Wie soll es danach weitergehen? Nach allem was kommen wird und von dem wir heute noch nichts wissen.
Was passiert, das hat noch keiner von uns erlebt. Niemand hat uns je darauf vorbereitet. Wir konnten ahnen, dass eines Tages “das dicke Ende” kommen würde, wir sahen oft genug die dunklen Wolken am Horizont. Wollten wir nicht wahrhaben, wohin das alles führen würde?
Ich glaube: doch. Wir wußten das. Und wir wollten verhindern, was wir heraufziehen sahen. Aber wir hatten so gut wie keine Chance, standen “auf verlorenem Posten”. Ich habe es schon in den vergangenen Tagen geschrieben, daß ich der Ansicht bin, daß “man” unseren unbedingten Willen zum Guten immer wieder ausgenutzt hat, um schamlos eigene Gewinne zu maximieren. Und daß man uns arglistig täuschte.

Es waren nicht wir, die die Weichen stellten, es waren nicht wir, die die Gesetze lockerten, nicht wir, die die Märkte entfesselten. Nicht wir haben uns Niedrigstlöhne verordnet, nicht wir wollten befristete Verträge, nicht wir haben Gewerkschaften bekämpft und Betriebsräte zu Lustreisen eingeladen. Es waren nicht wir, die unablässig Geld scheffelten. Und es waren auch nicht wir, die sich die Renten kürzten, Mieten erhöhten, alle Beitragskassen mit fremden Ausgaben belasteten und so “plünderten”. Und wir sind es auch nicht, deren Ersparnisse in Steueroasen liegen. Schon gar nicht waren wir es, die unsere gesamte Daseinsvorsorge privatisierten, damit Andere, die den Hals niemals voll kriegen, aus Post, Bahn, Strom, Wasser und Krankenhäusern so unredliche Gewinne schlagen können, daß von Daseinsvorsorge keine Rede mehr sein kann. Gerade in Hamburg weiß man das. Denn es waren die hiesigen Bürger, die sich in einer Volksabstimmung gegen die Krankenhausprivatisierung aussprachen. “Gesundheit ist keine Ware” sagten sie. Es war “die Politik” die sich über dieses Votum hinwegsetzte. Und es waren auch die Hamburger Bürger, die die “Politik” erst dazu zwingen mussten, Energienetze zurückzukaufen, die “Poltik” verscherbelt hatte, wie sie alles Tafelsilber verscherbelt hat, das Gemeingut war. Es stand in unserem Eigentum, denn es waren die Menschen dieser Republik, die all das erarbeitet und bezahlt hatten, um für ihr Dasein vorzusorgen. Nein, an uns hat nicht gelegen, was schief lief. Nicht wir haben aus der Bundesrepublik die “Deutschland AG” gemacht. Und nicht wir haben sie “feindlich übernommen”. Wir mögen es versäumt haben, diesem Ausverkauf beizeiten ein Ende zu setzen, doch versucht haben wir es. Oft genug konnten wir es aber allein deshalb nicht, weil “Politik” ,trick- und listenreich, eine Vielzahl von Bürgerentscheiden und Volksabstimmungen durch juristische Spitzfindigkeiten schon im Vorfeld zu verhindern wusste. Oder “finanzstark” für gewünschte Ergebnisse sorgte, die dann daherkamen wie Volkeswille, ohne es zu sein. Nein, ich glaube nicht, daß wir blind waren oder nicht hätten ändern wollen. Wir waren sehr lange Zeit sehr naiv. Das ist verzeihlich, denn wir haben vertraut. Daran ist nichts verwerflich. Verwerflich ist es, Vertrauen mit Füßen zu treten. Als wir feststellten, wie der Hase läuft, da waren die Grünen “etabliert” und ein Genosse der Freund aller Bosse.
Als wir all das begriffen hatten, da waren wir vor allem eines: Ohnmächtig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und aus dieser Ohnmacht müssen wir raus. Wie?
Mit Riechsalz. Es gibt Sachen, wenn Sie da erst mal die Nase reingesteckt haben, da werden Sie ruck-zuck wach …

Bevor ichs vergesse: Der “Jugendbewegung”, die da meint, sie allein könne die Welt retten, und vor ihr sei von “den Alten”, nie einer auf diese Idee gekommen, der habe ich auch noch etwas zu sagen. Erinnern Sie mich bitte dran, wenn ich`s vergesse….

Jetzt trink ich erstmal Tee und humpel ein bißchen in der Sonne herum. Fofftein.