Zerrissene Vorhänge im Luftschloss.

Nun wird alles sichtbar, mit jedem Tag mehr, ein Stein nach dem anderen fällt, die hübschen Vorhänge reissen, und der Wind pfeifft hinein, in unser Luftschloss. Alle bekommen nun zu spüren, wie zerbrechlich sie ist, diese globalisierte Welt. Und ein Jeder*, ob er es ahnte oder nicht, ob er es wahrhaben wollte oder lieber den Kopf in den Sand steckte, – jeder ist betroffen, von dem, was vor uns liegt. Auch die, die sich heute noch sicher glauben… Es wird sich alles ändern in diesem Jahr, das Leben, so wie wir es gekannt haben, wird es nicht mehr geben. Je eher wir das begreifen, umso mehr Zeit bleibt uns, darüber nachzudenken, wie es dazu kam und was sich ändern muss, in uns und für uns, wenn wir diese Krise überleben. Und das werden wir, wenn auch nicht alle. Mögen die, die ihr Leben verlieren, weil die Vorsorge nicht ausreichte, dann nicht umsonst gestorben sein. Jetzt endlich entschlossen zu handeln ist unsere einzige Chance. Und es wird die Letzte gewesen sein, wenn wir nicht begreifen, was passiert und warum es passiert. Und daß es wieder geschehen wird und noch schlimmer, wenn wir unser Verhalten nicht unverzüglich und grundlegend ändern. “Anpassungen” reichen nicht, wenn es eine Zukunft für uns noch geben soll. Wir brauchen auch nicht mehr “auf den Prüfstand stellen”. Wir haben alles geprüft und wissen längst alle, was nichts taugt. Das Leben fordert nun eindringlich unsere Fähigkeit zum Verzicht und zur radikalen Umstellung unserer Lebensweise. Was passiert, das ist schlimm, aber noch können wir das Allerschlimmste verhindern. Für uns. Für die Natur. Für eine Schöpfung, die wir mit Füßen getreten haben. Wenn wir überlebt haben werden, dann werden wir ganz neu. anfangen müssen. Die Zeit des “Schaun wir mal und “weiter so” ist unwideruflich vorbei …

Wie kamen wir an diesen Abgrund, vor dem wir stehen? Und was muss sich ändern? Wir werden viel Zeit haben, darüber nachzudenken und zu reden, wenn wir in Quarantäne sitzen. Zeit, auch neuen Mut zu fassen.
Als ich jung war und zum ersten Mal ins Grübeln kam, über das, in das ich hineingeboren worden war, da dachte ich, der Mensch könne lernen aus seiner Geschichte, habe ich gehofft, aus den Trümmern, die zwei Weltkriege hinterlassen hatten, würde der Mensch sich erheben, über sich und sein selbst gemachtes Elend hinauswachsen können. Ich glaubte, wie alle die jung sind, eine neue, eine bessere Welt ließe sich schaffen und auch, wenn die Welt nicht heil war und noch voller alter Wunden war, auch wenn in Vietnam ein grausamer Krieg wütete, so war unsere kleine Welt doch noch immer voller Wunder. Eines davon schufen die Menschen dieses Landes selbst. Sie nannten es das “Wirtschaftswunder”. Eine Geschichte, von der man Hals und Bauch zunächst nicht voll genug kriegen konnte, ausgehungert wie alle waren. Eine Geschichte, in deren Verlauf denen, die dieses “Wirtschaftswunder” täglich neu erarbeiteten, nach und nach und mehr und mehr wieder abgenommen wurde, was sie sich verdient hatten. Ein fairer Anteil am Geschaffenen wurde zunehmend verweigert. Eine Geschichte, die nun zu Ende geht. Jetzt, ein halbes Jahrhundert nach Beginn dieses “Wirtschaftswunders”, bekommen wir alle die Quittung dafür, daß wir nicht Acht gaben, auf diese Welt, daß die Wunder der Schöpfung uns nicht genügten. Dafür, daß nicht Maß gehalten wurde, dafür, daß denen, die mehr als genug hatten, “Genug” nie genug war und wir ihnen keinen Einhalt geboten. Daß wir zuließen, daß aus den kleinen Hävelmännern große Hävelmänner wurden, die unablässig “mehr mehr mehr” gebrüllt hatten und sich, trotz aller Warnungen des Himmels und der Erde, auch kein Einhalten gebieten ließen. Wir werden all die Probleme, die damit zusammenhängen, lösen müssen. Und wir werden sie lösen, wenn wir es schaffen, zusammenzustehen, in Zeiten, in denen man sich voneinander fernhalten muss. Das, was auf den ersten Blick unmöglich erscheint, ist möglich. Es ist der Zusammenschluss unserer Seelen und Herzen, der Zusammenschluß unserer Liebe, die die notwendigen Veränderung herbeiführen wird…