Die Organisation von Verantwortungslosigkeit

Baum am Schmuggelstieg

Ich habe heute, wie an jedem Tag, mehrere Tageszeitungen (online) gelesen. Danach habe ich mir die Pressekonferenz des Gesundheitsministers angesehen. Beides war aufschlußreich. Es wurde in des Ministers “Presseschau” viel, sehr viel geredet – dennoch gab es kaum Antworten auf Fragen, die uns alle bewegen. Es gab, einmal mehr, viele “Empfehlungen”. Bevor ich Ihnen Mut machen möchte, eigenverantwortlich zu handeln, will ich erst ein paar Worte zu dem schreiben, was heute da geschah…

Wohlfeile Worte, zahlreiche Erläuterungen ohne Wert. Ohne gezählt zu haben, schienen mir folgende Phrasen am häufigsten gebraucht:
“Ich ermuntere…ausdrücklich” (Bürger, Behörden, Verantwortliche aus…)
“die zuständigen Behörden vor Ort”
“müssen denen, die entscheiden müssen, den Rücken stärken”
“jeder kann und muss selbst entscheiden ob…”
“zu zaghafte Absagen…deshalb meine Empfehlung…”
“individuelle Betrachtung”
“wie das RKI …- festgestellt, gesagt, zur Verfügung gestellt hat.”
Ganz besonders “erheiternd” fand ich die abschließende “Ermunterung” entschieden und eindeutig und gleichzeitig (!) flexibel zu sein, um auf die “dynamische Lage” reagieren zu können. Ich kann das nicht. Entweder ich bin entschieden und eindeutig oder ich bin flexibel wg.dynamischer Lagen… Auffallend war, wie in den vergangenen Tagen auch, der Verschiebebahnhof, auf den jeder seine eigene Verantwortlichkeit “umleitet”. Städte verweisen auf Landesbehörden, die wiederum auf Bundesbehörden verweisen, die auf die “Verantwortlichen vor Ort” verweisen. Und zurück. Den Letzten beißen die Hunde – und da will keiner der Letzte sein. …
Eine Journalist*in stellte, in Bezug auf Veranstaltungsabsagen, die Haftungsfrage. Eine gute, eine sehr gute Frage, deren “Umwegbeantwortung” ein bezeichnendes Licht auf das Geschehen wirft. Die Antwort? Da müsse man denen, die die Entscheidung träfen, den Rücken stärken. Sei ja nicht leicht, eine Veranstaltung, ein Fußballspiel, abzusagen, wenn andere Veranstaltungen, andernorts, stattfänden. Menschlich schwer. Volles Verständnis vom Minister, der deshalb sogar “ausdrücklich” ermuntert, nicht mehr so zaghaft zu sein. Der Eindruck, den ich gewonnen habe, ist der, daß es derzeit überwiegend darum geht: Niemand, auf keiner Ebene, will “in Haftung genommen” werden, verantwortlich sein, weshalb auch niemand die Verantwortung für Entscheidungen, die getroffen werden müssen, übernehmen will. Da zeigt man gern auf Andere. An anderer Stelle der PK wurde es, von einem ehrlichen Menschen, und nicht von einem mit allen Wassern gewaschenem Rhetoriker, auch konkret ausformuliert: “damit einem nicht das Negative angehängt werden kann”. Ich habe das schon einmal erlebt, in Duisburg, bei der Loveparade, wo die Verantwortung so lange hin und her, rauf und runter geschoben wurde, daß für die Toten und Verletzten eines furchtbaren Tages, am Ende niemand juristisch verantwortlich zu machen war. Weder wollte “die Stadt” trotz aller Warnungen, die Veranstaltung absagen, noch für die Durchführung die Verantwortung tragen. Und in die “Organisation der Verantwortungslosigkeit” setzte man eine Menge Energien…
Daran musste ich heute denken, denn so vieles hat mich schmerzhaft daran erinnert.
Und an einen Langenhorner habe ich gedacht, der angesichts einer katastrophalen Flut, couragiert und entschlossen alles tat, um Leben zu retten. Und von dessen Größe Politiker sich, gerade in diesen Tagen, meilenweit entfernen…