Briefe. Über literarische Fingerübungen.

Tja. Eben schreib ich noch, ich geh zur Ärzt*in, da hab ich auch schon frei. Frau Doktor ist krank. Da wünsch ich ihr Gute Besserung und Ihnen, daß Sie gesund bleiben mögen. Und nutze die Zeit, Ihnen mal einen anderen Brief einzustellen, einen, den ich nicht an das Bezirksamt schrieb. Aus Gründen der Seelenhygiene schreibe ich nämlich viel, gerne und häufig Briefe. Einerseits ist das eine feine literarische Fingerübung, im Moment sogar Physiotherapie, andrerseits mag ich, wenn ich verärgert bin, den Ärger nicht versehentlich an Anderen auslassen. Und in dieser Gefahr stehen Rheinländer*innen auf Grund der zuweilen überschäumenden Temperamente immer mal wieder… Bei der Lesung im Langenhorner Bürger- und Heimatverein hab ich ja schon ein bißchen aus meinem privaten Nähkästchen geplaudert…

Es gibt da einige Dinge in Langenhorn, die ich im Laufe der Jahre schreibend verändert habe, ohne dass irgendjemand etwas anderes davon mitbekommen hätte, als eine Erleichterung in seinem Alltag. Ich schreibe dann meist launige mails an die, die meinen (unseren) Ärger verursacht haben. Das sind zum Teil lange Korrespondenzen, (ich bin sehr beharrlich in diesen Dingen) und die haben immer nur ein Ziel: Veränderung zum Besseren. Ich will mich einfach nicht ärgern müssen. Und Andere (Sie zum Beispiel) sollen sich auch nicht mehr ärgern. Ich schreibe immer dann, wenn es um eine Sache geht, von der sehr viele Menschen betroffen sind, nie stehen meine persönlichen Interessen im Vordergrund. Ich beschwere mich, ich bitte, ich argumentiere, mache Vorschläge, zunächst heiter, aber ich kann au sowatt von ernst werden… Gestern jedenfalls habe ich mich wieder mal sehr sehr sehr geärgert und zwar über eine Sache, die ich im vergangenen November schon “beschrieben” hatte. Man hat mich damals mit den üblichen Phrasen vertröstet und glaubte sicher, die Sache wäre damit vom Tische. Ist sie aber mitnichten. Da habe ich dann gestern eine “Wiedervorlage” gemacht. Und zwar des Briefes, den ich Anfang November an das “Kaufland” gerichtet hatte. Dieser wars :

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, wie viele Ihrer Kunden, bin ich  in ein Lebensalter gekommen, in dem man sein Leben nicht immer auf der Überholspur verbringen kann. Gleichwohl gibt es aber auch für junge und/oder austrainierte Menschen, physische wie psychische Grenzen der Belastbarkeit. Diese Grenzen werden regelmäßig an Ihren Kassen überschritten, weswegen ich mich heute mit der dringenden Bitte an Sie wende, zumindest eine „Ruhekasse“ einzuführen. Während Sie großen Wert darauf legen, mich innerhalb ihrer Geschäftsräume durch konsumanregende Wege langsam in gesteigerte Kauflaune zu bringen, legen sie bei Abschluss unseres  Geschäftes dann allerdings großen Wert darauf, mich in Blitzgeschwindigkeit aus Ihrem Laden zu katapultieren. Diese Geschwindigkeit, mit der Ihr zur Höchstleistung angetriebenes Personal die Waren über den Scanner zu reissen verdonnert ist, lässt sich leider mit den motorischen Fähigkeiten der überwiegenden Mehrheit Ihrer Kundschaft  nicht einmal mehr ansatzweise in Einklang bringen. Auch ich bin trotz Belegung der Weiterbildungskurse „Power-Packen für Best-Ager“ und  metronomgetakteter Übung am heimischen Küchentisch nicht mehr in der Lage, die Waren so schnell in die Taschen zu packen, daß ich Ihre auf Erreichung der Schallgeschwindigkeit ausgelegten Betriebsabläufe nicht störe. Es ist grundsätzlich auch nicht möglich, einfach alles in den Wagen zu reissen und zu schmeissen,  weil Eier und Joghurtbecher, ebenso wie Quarktöpfchen etc. dabei regelmäßig zu Bruch gehen. Auch habe ich mit zunehmendem Alter eine Muskelschwäche zu verzeichnen, die es mir nicht mehr erlaubt, mich gleich zwei Mal kopfüber in den abgrundtiefen Einkaufswagen zu stürzen, um die Waren da herauszuwuchten. Einmal, aufs Band, das muss reichen, mehr schaff ich nicht.  Lassen Sie mir bitte Zeit und Raum, die Einkäufe direkt in meine Taschen packen zu können.. Punktum: Ein geordneter Abschluss unseres beiderseitigen Geschäftes ist mir mittlerweile vollkommen unmöglich geworden. Es gibt Montage, da werde ich schon von Ihren Regalbeschickern, denen ich auf Ihren Rennstrecken im Wege bin, überrannt , bevor man mich abschließend in Grund und Boden kassiert. Früher gab es für rasende Zeitgenossen und gestresste Schulschwänzer eine „Schnellkasse“  –  nun sind die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Jede Kasse ist (durch allerlei technischen Schnickschnack und Vorgaben an das Personal) Schnellkasse – ohne jede Rücksicht darauf, daß die Kunden in ihrer Mehrzahl Ihr Tempo weder mithalten können noch wollen. Ich bitte Sie heute deshalb inständig um Einrichtung wenigstens einer „Ruhekasse“. Diese würde es mir ermöglichen den Einkauf ohne Herztropfen und Asthmaspray abschließen zu können. Gern wäre ich nicht bereit für diesen „Service“ zu zahlen, aber es ließe sich durchaus darüber reden, alles besser, als in Ihrem Kassenbereich stressbedingt tot umzufallen. Vielleicht springt aber auch die Gesundheitskasse präventiv ein, damit Zahlvorgänge nicht zu einer erhöhten Seniorensterblichkeit bei Menschen ab 35  führen.. Wie auch immer: Das kann doch so nicht weitergehen, mit ihrem Tempowahn ! Mit der betriebswirtschaftlichen Auswirkung Ihrer „Schnellschüsse“ mag ich Sie nicht konfrontieren. Soviel sollten Sie doch selbst draufhaben, bevor Ihnen „die Alten“ mitsamt Ihrer Kaufkraft in Scharen an #xyz verloren gehen. Dort hat man offenkundig die „Zeichen der Zeit“ erkannt und lässt den Kunden die Luft zum Atmen und Zeit zum Einpacken. Es freute mich jedenfalls sehr, wenn ich demnächst als „Knüller zum Wochenstart“ an einer „Bummelkasse“  anstehen dürfte. Und ich erinnere Sie an eines Ihre Kundenversprechen. Es  lautet: „Wir möchten Ihren Einkauf bei uns so angenehm wie möglich gestalten (…) Denn erst wenn Sie zufrieden sind, sind wir es auch! ” Ich bin alles andere als zufrieden mit der „Abfertigung“. Und mit mir jeder, wirklich jeder, mit dem ich darüber gesprochen habe. Wollen Sie darüber bitte einmal nachdenken? Ansonsten geh ich auch zu …..# xyz. Mit freundlichen Grüßen MM

Dass mit den Eiern, dem Joghurt und dem Quark, das stimmt zwar nicht, das hol ich alles auf dem Markt, aber das Bild war einfach hübscher als Paulis kaputte Katzenfutterpäckchen, wo dann die Saucensause rausschwappt und an die ich nur ungern denke… Dass ich verärgert bin stimmte dafür aber ganz und gar. Mal sehen, ob sich der Ärger nicht abstellen lässt.

Bis dahin halten wir uns happy.