Dankbar sein. Und es auch zeigen …

Moin. Und? Schon alles für den kommenden Winter vorbereitet? Marmeladen gekocht, Früchte eingeweckt? Trockenhefe und Toilettenpapier im Haus? Jetzt ist sie ja da, die zweite Welle. Und mit ihr, all die ungelösten Probleme der ersten…

Und wieder werden wir uns selbst helfen und schützen müssen, denn von denen, die seit der ersten schon streiten, ist auch jetzt keine Einigkeit zu erwarten. Naja, wir wissen ja, was zu tun ist, und diesmal haben wir die Masken ja schon. Beim letzten Mal setzten sich unzählige Frauen in ganz Deutschland an ihre Nähmaschinen, Stoffe und Gummibänder wurden gespendet, Nachbarschaftshilfe organisiert. Die Näherinnen wurden, statt eines Dankes, in Talkshows von Politikern mitleidig belächelt.
Wir haben es einmal geschafft – wir können es wieder schaffen, es einzudämmen.
Es wird schwerer werden, als es im Frühjahr war, aber wir können es schaffen.
Und wenn es uns doch erwischt, dann können wir auch diesmal wieder mit der Hilfe derer rechnen, die Tag für Tag und Nachtschicht für Nachschicht in den Krankenhäusern arbeiten und alles dafür tun, damit wir Krankheiten überstehen. Auch diese. Und sie tun es, immer noch, trotz aller gebrochenen Versprechen der letzten Krise.
Die meisten Pflegekräfte bekamen keine Prämie, ihre Arbeitsbedingungen wurden nicht verbessert – für sie hat sich nichts geändert. Schlimmer noch:
Sie werden auf eine unverschämte Art verhöhnt.
Oder wie empfinden Sie dieses “Statement” gegenüber streikenden Pflegekräften:

“So, ich würde vielleicht doch mal empfehlen, mal wieder zur Pflege zu gehen, da warten ein paar Leute auf Sie.”

Zitat aus dem Munde von Ulrich Mägde, Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Oberbürgermeister von Lüneburg. Das ist in meinen Augen eine unfassbare Entgleisung, dies ausgerechnet jenen Menschen zu sagen, die, weil Politik jämmerlich versagte, ohne Masken, ungeschützt und unterbesetzt, bis an die Grenzen der Belastbarkeit ihren Dienst verrichteten. Denen, denen man steuerfreie Prämien versprach, denen man zusagte, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, Personalschlüssel zu erhöhen, sie angemessen zu entlohnen… Nichts davon bekamen sie.
Mägde, ein Spezialdemokrat, dem das Wort “sozial” völlig unbekannt zu sein scheint, erdreistet sich allen Ernstes, die ermahnend “auf Station” zu schicken, die wirklich alles taten, uns zu helfen, die ihre Gesundheit und Leben riskierten und riskieren. Schämen sollte sich der Mann, der zu einer solchen Respektlosigkeit fähig ist. Den gerechten Lohn jenen zu verweigern, die mit ihrem Leben für das Unsere einstehen, ist schon schlimm genug – ihnen nicht einmal die gebührende Achtung zu erweisen und ihnen mit Respekt entgegenzutreten – das nenne ich Verhöhnung. Von einem, der sich Sozialdemokrat nennt.
Während man einen Konzern nach dem Anderen, dessen Geschäftsmodell auf Lug und Trug basierte, Umwelt und Klima zerstörte, ohne mit der Wimper zu zucken, bedingungslos “rettete”, schickt man die, die tatsächlich Leben retten, die uns in Krankheit und Tod beistehen, wie kleine Kinder “auf Station”. Mund halten, ab an`s Bett.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht – aber mir wird von einer solchen Politik speiübel.
Ich bin den Pfleger*innen unendlich dankbar für ihre Arbeit, die nicht von Geld, sondern von Liebe getragen ist. Es ist Nächstenliebe, der Wunsch, zu helfen und beizustehen, der einen Menschen dazu befähigt, diesen Beruf auszuüben. Eine Beruf, der körperlich und emotional ohnehin schon anstrengend, seit viel zu langer Zeit schon in personeller Unterbesetzung und zu nicht auskömmlichen Gehältern verrichtet wird. Wenn es ihnen nur ums Geld ginge, dann hätten sie sicher schon längst gekündigt. Es gibt angenehmere Arbeit, leichter zu erlernen, mit weniger Verantwortung, weniger Gesundheitsgefährdung und besserer Bezahlung. Es ist allein ihre Liebe zum Nächsten, zum Mitmenschen, der sie diesen schweren Dienst immer noch erlernen und ausüben lässt, der mehr Berufung ist, denn ein Beruf. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass sie auch jetzt für uns da sein werden. Ob wir leben oder sterben.
Am kommenden Dienstag, wieder zwischen 6 und 10 Uhr, wird es einen weiteren Warnstreik vor dem Heidberg-Klinikum geben. Und da die Strasse gegenüber des Haupteinganges gesperrt sein wird, gibt es auch genug Platz, um Abstand zueinander zu halten. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich auch dieses Mal dabei sein werde, um den Platz einer Pflegerin einzunehmen, die ihren Dienst tut und deshalb nicht selbst streiken kann. Ich werde es tun. Auch jetzt. Gerade jetzt.
Mit aller gebotenen Vorsicht, viel Abstand und perfekt sitzender Maske will ich denen beistehen, die auch uns in größter Not nicht verlassen. Es ist das Mindeste, das ich tun kann.
Dankbarkeit zeigen.