Hamburg. Das Tor zur Welt. Für jeden?

Freie Dachkammer Langenhorn. Heute. Von außen betrachtet.

Ich war damals also umgezogen, nach Hamburg. Ich, die ihre Heimat und die Menschen die dort lebten, so sehr liebte, dass ich sie nie wieder verlassen hatte wollen, wollte nur noch weg, wollte “hinter den Deich”, wollte runter von der stürmischen See. Ich suchte einen Frieden, den ich im Pott nicht mehr finden konnte…Ich hatte zwei Menschen, die mir sehr am Herzen lagen, in ihrem Sterben begleitet und hatte dabei tiefe Einblicke in unser “Gesundheitssystem” bekommen, war in tiefster Seele erschüttert über die Erfahrungen, die ich damit gemacht hatte…

Die Einzigen, die mir in dieser Zeit zur Seite standen, waren Mitarbeiter der ambulanten Hospizbewegung, Malteser, und zwei weitere Menschen von Pflegediensten, die mir über ihren Dienst hinaus, uneigennützig, halfen. Ohne diese Menschen hätte ich meinem alten Freund Hugo nicht beistehen können, als er ging.
Hugo, mein geliebter Rheinbär, Binnenschifffahrtskapitän, der im Krieg Brot nach Oranienburg geschmuggelt hatte, alter Sozialdemokrat, Gewerkschafter der ersten Stunde, der ein “hohes Tier” bei der “EWG” gewesen war und dort die Schifffahrt vertreten hatte. Hugo, der mit Dienstantritt von Schröder aus der SPD austrat. Ein aufrechter Mann, der einen so schweren Tod gestorben war, schwerer, als er hätte sein müssen… Ich brach meine Zelte ab, behielt aber zunächst meine Wohnung, lebte halb im Pott, halb in Hamburg, pendelte zwischen zwei Welten, wie sie unterschiedlicher hätten nicht sein können und versuchte, zu vergessen. Als das nicht gelang, kündigte ich meine Wohnung und zog endgültig zu meinem Mann, den ich ein halbes Jahr vor Hugos Tod geheiratet hatte, ganz nach Hamburg. Doch ich schrieb weiter meine Kolumnen für den Kohlenpott, fuhr zu Lesungen, verließ die Menschen nicht, für deren Belange ich mich immer eingesetzt hatte und die mich liebten. Auch ich liebte sie, liebe sie noch. Ich vergaß, so glaubte ich, doch ich verdrängte nur und eines Tages holte mich dann alles ein, ich brach unter der Last der Erinnerungen zusammen, schrieb für 3 Monate nicht, reduzierte danach meine Arbeit, schrieb nur noch für eine Zeitung, statt für viele, machte kaum noch Lesungen. Ich machte weiter, so gut es ging, zwar reduziert, aber weiter…
Meine Leser hatten mich immer wieder aufgefordert, es nicht allein beim Schreiben zu belassen, baten mich, aktiv zu werden, mich einzumischen in die Lokalpolitik und als dann die Wahl eines neuen Oberbürgermeisters stattfinden sollte, da tat ich es. Ich ließ mich als unabhängige Kandidatin aufstellen, meine Leser sammelten mit mir dazu die erforderlichen Unterstützerunterschriften. Und dann geschah, was mich ein weiteres Mal erschütterte: Ich lernte die “Demokratie” kennen. Als erste Reaktion auf meine Kandidatur, wurde mir meine Kolumne entzogen. Für ein halbes Jahr, für die Dauer meiner Kandidatur, sollte ich nicht mehr schreiben dürfen. Unentgeltlich, versteht sich, denn ich war “freie” Journalistin und hatte keinerlei arbeitsrechtlichen Schutz. Meinen Einwand, dass ich selbstverständlich meine Kolumne nicht für Wahlwerbung mißbrauchen wolle, mich völlig anderen Theman als der Politik zuwenden würde, ließ man nicht gelten. Man entzog mir jedwede finanzielle Basis und wäre ich nicht verheiratet gewesen, hätte ich von jenem Moment an mittellos da gestanden. Ich wies darauf hin, daß doch alle anderen Kandidaten ihre Berufe nicht aufzugeben gezwungen wurden, ich verwies auf die eklatante Ungleichbehandlung – all das fand kein Gehör. Zum ersten Mal machte ich die Erfahrung, das und wie man gegen wirklich unabhängige Kandidaten vorzugehen wusste und deren Chancen nicht nur schmälerte, sondern sie ganz und gar zunichte machte. Bei allen Podiumsdiskussionen blieben die Parteienvertreter unter sich, kein einziger unabhängiger Kandidat bekam die Chance sich und seine Pläne bekannt zu machen. Und auch ich, die einen großen Bekanntheitsgrad hat und über einige Reputation verfügte, die eine “Bürgerin des Jahres” war, eine Auszeichnung, die bis dahin vornehmlich Politkern und Wirtschaftsvertretern vorbehalten war, blieb stets draussen vor der Tür. Und die “Medien” ? Wollten “Homestorys” bringen, und dazu auch gerne nach Hamburg reisen. Ein Anliegen, dass ich abgelehnt habe, ja ablehnen musste, schließlich hatte ich mich nicht um die Aufgabe der “Fröhlichsten Hausfrau Duisburgs” beworben, sondern für das höchste Amt der Stadt, der Oberbürgermeisterin. Ich hätte gern über das gesprochen, was ich politisch bewegen wollte, aber nicht über meinen persönlichen Haushalt. In diesen Monaten habe ich unschätzbare Einblicke bekommen in das Wesen dieser Demokratie, über die Menschen, die sie machen, über das Pressewesen und das “Wahlvolk”. Diese Erkenntnisse haben mich verändert. Fortan schrieb ich nicht mehr. Alles was ich noch zu sagen gehabt hätte, das pflanzte ich. Meinen Garten zu “beackern” war weitaus fruchtbarer, als das politische Feld. Und selbstverständlich gewann ich die Wahl nicht. Das war auch nicht zu erwarten gewesen und wäre einem Wunder gleichgekommen… Welcher Verlag mich damals in die Mittellosigkeit entließ ? Es war die Funke-Verlagsgruppe. Die, die jetzt in Hamburg das “Abendblatt” herausgibt.
Ein Jahr später feierte “das Ruhrgebiet” sich selbst als Kulturhauptstadt. Eine von vielen Veranstaltungen war die Loveparade …
Was da geschah, das wissen Sie. Was darüber hinaus geschah, was die Duisburger damals taten und wie ich ihnen dabei half, das, wovon in den Zeitungen nichts zu lesen war, davon erzähle ich Ihnen im nächsten Beitrag. Es waren die Duisburger Bürger allein, die Konsequenzen zogen. Sie, ganz allein und gegen alle Widerstände, übernahmen Verantwortung und sorgten dafür, daß der damalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland sein Amt verlassen musste.
Jetzt mache ich … Pause.

update: Was damals, im Anschluss an die Loveparade geschah, jeder einzelne Tag bis zur Abwahl Sauerlands, ist in meinem alten Tagebuch ab dem 27. Juli 2010 nachzulesen.