Die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Auf meinem Schreibtisch.

Manch eine*r, der sie für sich mit “Shoppen und Spaß haben” beantwortet zu haben glaubte, erlebt nun eine tiefe Sinnkrise. Was nutzen 50 Paar Schuhe, wenn das Klopapier aus ist? Überhaupt… “Spaß haben”. Ich wußte nie so recht, was das ist. Ich war oft erfreut, aber noch nie erspaßt. Und hat jemand versucht mich zu “be-spaßen”, dann war sein Streben vergebens. Kindliche Freude, die ist schön, die hab ich oft, viel und gerne, aber Spaß? Für mich ist “Spaß” eine äußerst flüchtige Angelegenheit, die einen schalen Geschmack hinterlässt und ein leeres Portemannaie…

Die “Spaßgesellschaft” beginnt sich nun zu wandeln, langsam, aber “exponentiell”. Menschen stehen neuerdings bei Bäckern Schlange, Brötchen sind oft ausverkauft, die “Backshops” der Discounter lassen sie wohl unberührt. Mein Mann hatte sich darüber gewundert. Ich mich eher nicht. Es gibt ja unzählige Menschen in diesem Land, die jeden Euro rumdrehen müssen. Sie fahren nicht mit einem SUV zum Biohof vor die Tore der Stadt, um nach dem Einkauf Latte Macchiato, natürlich mit Mandelmilch, zu schlürfen. Sie sind zwingend auf den Discounter an der nächsten Ecke angewiesen, um ihren dringendsten Bedarf zu decken. Sie sind dankbar für jedes Zubrot der Tafel. Auch sie würden gern “bewußt” einkaufen, in ein Cafe gehen, aber sie können es sich, beim allerbestem Willen, nicht leisten. Ein Brötchen vom Bäcker ist “die kleinste Einheit”, mit der man seine Solidarität vor Ort ausdrücken kann. Mag man auch gezwungen sein, vieles im Internet und beim Discounter zu kaufen, weil die Preisunterschiede zum Teil gewaltig sind und das Einkommen sehr gering, so ist doch der Mehrpreis für ein Brötchen, am Wochenende, gerade eben noch zu verschmerzen. Die Frage meines Mannes, ob Brötchen das neue Toilettenpapier seien, ist für mich beantwortet. Die Schlangen beim Bäcker, der Ausverkauf von Brötchen, das sind für mich Ausdruck von großer Solidarität, durch alle Gesellschaftsschichten. Jeder möchte ja einen Beitrag leisten, ein Brötchen ist der kleinste gemeinsame Nenner… Ja, sie verwandelt sich, unsere Welt wird kleiner, wir lernen wieder zu schätzen, was vor unserer Haustür liegt und nun oft erst neu entdeckt oder wieder gewertschätzt wird. Wir bestellen beim örtlichen Buchhändler, statt bei Amazon, unterstützen unsere Lieblingsrestaurants, in denen wir das Essen nun abholen und decken uns den Tisch daheim. Es rührt mich immer wieder , wenn ich von all den guten Taten lese, die in diesen Tagen vollbracht werden. Mehr und mehr wende ich mich diesen guten, den schönen Nachrichten zu, und mehr und mehr pfeiffe ich auf die stündlich neuen, gegenläufigen Verlautbarungen irgendwelcher Quasselkasper, die ihre eigene Orientierungslosigkeit auf die Welt übertragen. Ich freue mich über all die Menschen, die sich nicht mehr scheren darum, was dieser oder jener Politker, Wissenschaftler, Psychologe oder Küchenphilosoph gerade an Unsicherheiten verbreitet. Freue mich, daß Menschen tun, was sie für richtig halten, Menschen, wie aus Poesiealben: Edel, hilfreich und gut. Jeder Einzelne von Ihnen setzt in diesen Tagen Hoffnungszeichen, er sucht nicht den Spaß, sondern bereitet Freude. Eie Freude, die weit hinaus reicht über diesen einen Tag, über diese eine Geste der Verbundenheit, Freude, die anhält, die ausfüllt, die man sehen kann, denn sie ist in die Herzen und Gesichter geschrieben.
Ich sehe im Moment sehr viele, sehr schöne Gesichter. Es werden täglich mehr…