Ort: Küche. Zeit: Lange nach Einbruch der Dunkelheit. In der Dachkammer ist alles ruhig, es wird dort wohl schon tief geschlafen. Hilde hat Tills Brief gelesen, dann lächelnd, mit leichter Hand blitzschnell den Haushalt geordnet und dabei ein wenig nachgedacht. Jetzt sitzt sie am Küchentisch, Kerzenlicht, Tinte und Feder liegen bereit, sie gießt sich ein Glas Milch ein, atmet tief durch und dann schreibt sie. Ob es wohl ein Liebesbrief ist? Oder auch ein Gedicht? Wollen wir da mal reinschauen, in diese nächtliche Szene? Und einen Blick auf`s Papier werfen?
Mein sehr geschätzter Herr von Till,
ich sagte wirklich gern: Ich will.
Doch hab ich einige Bedenken, will nicht mein Herz so leicht verschenken.
Ich hörte von so manchem Streich, den ihr gespielt habt, Arm und Reich
Ihr tatet schon so manche Sachen, da konnte nicht ein Jeder lachen.
Ihr tut gern dumm, doch seit gerissen, auch Taktgefühl lasst ihr vermissen
Schon so Mancher fiel drauf rein. Ich will da nicht die Nächste sein.
Auch sagt man Ihr seit Anarchist, was aber nicht bewiesen ist.
Man munkelt, dass Sie sein ein Narr, was auch nicht zu beweisen war.
Man sagt Ihr habet einen Spiegel und schaut hinein so manche Zeit.
Erklärt den Zweck, mit Brief und Siegel – Selbsterkenntnis? Eitelkeit?
Ihr hieltet ihn auch Andren vor, die wurden rot bis übers Ohr.
Was habt ihr Euch dabei gedacht, als Ihr sie dann darob verlacht?
Euch hielt auch nichts an einem Ort , kaum wart ihr da, wart ihr schon fort
Die Eule immer mit dabei – Ihr wart so wie ein Vogel frei.
Und jetzt macht ihr mir hier den Hof ? Junger Mann, ich bin nicht doof.
Ich sag es gleich: ich bin aus Cölln. Ihr seit vom Dorf, gebürtig: Mölln.
Mich legt man nicht so leicht herein, da könnt ihr welterfahren sein
und weitgereist, wie ihr nur wollt, doch habt ihr auch ein Herz aus Gold?
Ich prüfe Euch auf Herz und Nieren, bin so leicht nicht zu verführen.
Ist`s Herz aus Gold und ist es rein, dann will ich gern die Eure sein.
Es grüßt Sie mit der gebotenen Zurückhaltung, Fräulein Hildegard, noch lang nicht die Ihre.