Plenarprotokolle. Von der Schönheit aktueller Stunden.

Ortswechsel. Wir nehmen mal Kurs auf das Rathaus.

Ich schrieb Ihnen ja darüber, was ich nebenbei alles gelesen habe. Am Besten haben mir immer schon Sitzungsprotokolle gefallen. Und ich muss sagen, die Hamburger sind schon amüsanter als die in NRW. Eines aber fand ich sehr erheiternd und aufschlussreich obendrein.

Es ist das Protokoll der 102. Sitzung vom 14. August 2019, aus dem wir in der “aktuellen Stunde” viel von dem erfahren, was es zu wissen gilt über die Aktion “Schilderreinigung”. In deren Genuß sind die Langenhorner ja nicht gekommen… Und es gibt auch einen lustigen Einblick in die Gemütslage von Männern, die mal eigenhändig was geputzt haben. Sapperlot! Und in die Gefühle von Frauen, die voll des Lobes sind, ob solch toller Hechte. Die Seiten (keine Sorge, hier wird von Anbeginn der Zeit gezählt, soviel sind es hier nicht) von 7924 bis 7931 (also nur 6 und wirklich kurzweilige Seiten) sind die, die für uns von besonderem Interesse sind. Sie beantworten Fragen, werfen aber auch neue Fragen auf. Besonders amüsant fand ich diese Passagen:

Ulrike Sparr Grüne* : (…)Angesichts anderer Probleme einer Großstadt erscheint die Reinigung von Schildern eher als Petitesse. Sie betrifft aber das alltägliche Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger, und das verleiht dem Thema dann doch Bedeutsamkeit. Darum haben wir dem Projektstart durch den wahrhaft hohen körperlichen Einsatz zweier Senatoren ein besonderes Gewicht verliehen.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Wolfhard Ploog CDU: Ja, genau!)
Nun gehe ich davon aus, dass bis zum Jahresende die Straßen-, Verkehrs- und Ortsschilder in den betroffenen Stadtteilen funkeln und blitzen werden.
(Dennis Thering CDU: Wird auch Zeit!) Wenn das so sein sollte, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, die Stadtreinigung dauerhaft mit der Reinigung zu betrauen. Denn wir brauchen die Verstetigung dieser Aufgabe, damit die letzten
Flecken vom Lüster verschwinden und unsere Perle dann endlich im Ganzen funkelt. – Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Dr. Monika Schaal, SPD : Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es toll und vorbildlich, dass die beiden Senatoren Jens Kerstan und Michael Westhagemann zusammen mit Professor Siechau, dem Chef der Hamburger Stadtreinigung, den Startschuss zu einer systematischen
Reinigung unserer Schilder gegeben und auch selbst zum Feudel gegriffen haben. Bei Rot- Grün ist Sauberkeit eben Chefsache. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) (…) Ich möchte hervorheben, dass es Bürgerinnen und Bürger und auch Abgeordnete in dieser Stadt gibt, die schon einmal selbst engagiert zum Lappen und zum Eimer gegriffen haben, wenn Schilder zu schmutzig waren. Vielen Dank für dieses Engagement allen, die sich hier vorbildlich engagiert haben. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Doch Aktionen Einzelner reichen in einerMillionen-stadt mit Hunderttausenden von Schildern sicher nicht aus, um Sauberkeit herzustellen. Unsere Experten für Sauberkeit sind nun einmal diejenigen bei der Stadtreinigung, unbeschadet der Tatsache, dass fürs Schilderputzen die Bezirke zuständig sind. (…)

Stephan Gamm, CDU : (…) Der Erhalt eines ordnungsgemäßen Zustandes von Straßen- und Verkehrsschildern sollte eine Selbstverständlichkeit in unserer Stadt sein. Das dürfen die Bürgerinnen und Bürger erwarten. Stattdessen loben Sie sich selbst über den Klee dafür, dass Sie sich nun endlich um diese Standardaufgabe kümmern, stellen zwei Senatoren auf die Leiter, drücken ihnen noch einen Lappen in die Hand, und rechtzeitig zur bevorstehenden Bürgerschaftswahl ist die kleine Marketingnummer aus dem PR-Baukasten von Rot-Grün fertig. So ein Vorhaben sechs Monate vor der Wahl anzustoßen ist mehr als ein durchschaubares Manöver. Dabei hätten Sie diesem Vorhaben mit einer kleinen Erweiterung durchaus noch einen positiven Swing geben können, indem Sie die vorangegangene Analyse daraufhin überprüft hätten, ob der ausufernde Schilderwald an der einen oder anderen Stelle nicht hätte ausgedünnt werden können. Doch auch diese Chance wurde vertan.(…)

Dr. Kurt Duwe, FDP :(…) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meiner Zeit hätten die GRÜNEN verschmutzte Straßenschilder als Bestandteil der gelebten Stadtteilkultur verteidigt. (Heiterkeit bei der SPD)
Momentan sehe ich die Bemühungen, sich von den alten Vorurteilen, die noch da sind, reinzuwaschen, und da freut sich die Oma darüber, dass auch das Straßenschild einmal wieder saubergemacht wird.(…)

So. Und das Ganze, das lassen wir nun erstmal sacken. Vielleicht, wenn Sie alles gelesen haben, ahnen Sie aber auch schon, warum ich dieses Protokoll so interessant finde. Und haben auch selbst ein paar Fragen …